Advent, das ist die stille Zeit des Jahres, die Zeit der Ruhe und der Nostalgie. Im Allgäu verdichtet sich der Advent ganz besonders, fernab vom Trubel großer Weihnachtsmärkte. Dafür besinnt man sich umso mehr alter Traditionen: Allerorts treiben Wilde Klausen treiben ihren „Unfug“, in Wangen hingegen ziehen Klosen-Sänger andächtig durch die Stadt. In Bethlehem wird gedrechselt und Krippen werden in Szene gesetzt. So birgt das Schwäbische Krippenmuseum Mindelheim eine 8,5 cm große Figur von unschätzbarem Wert: Es ist das älteste Christkind der Welt, gefertigt im Allgäu und stammt aus der Zeit um 1300. Aus dem letzten Jahrhundert sind die Bilder des Memminger Josef Madlener. Mit seiner Darstellung des Weihnachtsgeschehens sind Generationen von Kindern groß geworden. Gelebte Tradition inmitten kultureller Kostbarkeiten, das ist Advent im Allgäu.
Grober Unfug: Klausentreiben im Allgäu
Das Klausentreiben ist einer der bekanntesten und eigenwilligsten Bräuche des Alpenraums zur Vorweihnachtszeit. Über seine Herkunft, Alter und Bedeutung gibt es viele Geschichten, vor allem mystischer Art. Doch der älteste schriftliche Nachweis stammt aus Memmingen, als man im Jahr 1642 das wilde Treiben der verkleideten jungen Männer als „groben Unfug“ in der Stadt verbot. Noch heute gibt es dort kein Klausentreiben. Die Sonderausstellung im Stadtmuseum erzählt anhand mehrerer Beispiele vom alemannischen Brauch. In der Nacht zum Nikolaus hüllen sich Männer in ihr „Häs“ aus Fell. Ketten, Glocken, Schellen, Geweihe oder Hörner vervollständigen das Gewand. So gekleidet, ziehen sie lärmend durch den Ort. Die Ausstellung befasst sich mit den unterschiedlichen Ausprägungen der Klausen im Allgäu, denn kein Dorf gleicht dem anderen. In einigen wird das Wissen um dies eigenwillige Brauchtum innerhalb der Familie weiter gegeben, in anderen haben sich Vereine gegründet. Manches Mal auf Betreiben des Pfarrers, der das Treiben in geregelte Bahnen lenken wollte. Die Ausstellung im Stadtmuseum Memmingen läuft bis zum 27. Januar, Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 10 bis 13 und 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet 3,30 €, ermäßigt 2,20 €.
http://zeitmaschine-stadtmuseum-mm.de/de/aktuelles/news/grober-unfug-klausentreiben-gezaehmtes-brauchtum
Klausentreiben im Allgäu – die Termine
Vor über 2000 Jahren fand wohl der Brauch seinen Ursprung und hält sich bis heute. In der Nacht zum Nikolaus (5. Dezember) ziehen in vielen Orten die wilden Rumpelklausen durch die Straßen und Gassen. Früher war vor allem in den langen, dunklen Winternächten die Furcht der Menschen vor bösen Geistern groß. Mutige junge Burschen kleideten sich dann in Fell- und Ledergewänder, setzten sich Tierköpfe oder Kappen mit Hirschgeweihen oder Ochsenhörnern auf und zogen johlend mit Schellen- und Kettengerassel los, um die Nachtgeister zu vertreiben. Um das Treiben möglichst vielen Menschen näher zu bringen, sind die Klausen heute auch geordnet unterwegs. Bereits am 24.11. heißt es ab 17 Uhr „Börwang brennt“, am 2.12. findet um 13 Uhr der Klausen-Umzug in Erkheim statt. Die größte Klausenvereinigung der Alpen ist in Sonthofen zu finden, hier können Zuschauer ungefährdet dem Treiben vom 4. bis zum 6.12. zuschauen. https://www.allgaeu.de/klausentreiben
Das Programm der Klausenvereinigung Sonthofen unter https://www.klausenverein-sonthofen.com/
Ein schöner Kontrast: die Klosensänger von Wangen
Auf den ersten Blick mag es ein schlichter Brauch sein. Doch leuchten die Augen bei vielen Einheimischen, wenn am Nikolaus-Abend, dem 5. Dezember, die Klosen-Sänger durch die Stadt ziehen. Diese Tradition gibt es nur einmal im Jahr, nur an diesem Abend, und nur in Wangen. Früher gab es ihn auch in anderen Reichsstädten. Einzig in Wangen jedoch hat sich dieser mittelalterliche Heische-Brauch erhalten. Ursprünglich waren es die Schüler der Lateinschule und seit 1590 auch die vier Patemisten-Sängerknaben der Spital-Kirche, die durch die Stadt zogen, sangen und dafür einen kleinen Obolus wie Äpfel, Nüsse, Wurst oder auch Geld bekamen. Als kleinen Zuverdienst für sich selbst. Heute noch singen A-capella die Wangener Klosen alte, deutsche Lieder, wie sie überliefert wurden. Diese Art der Klosen steht im Kontrast zu den Wilden Klausen.
Die Allgäuer Weihnachtsgeschichte
Das teuerste sichtbare Zeichen der Weihnacht im Allgäu findet sich im Krippenmuseum Mindelheim: Das weltweit älteste Christkind, wohl in Leutkirch in der Zeit um 1300 gefertigt, ist Mittelpunkt der völlig neu gestalteten Ausstellung im Jesuitencolleg, heute Museum. Zudem wurde die erste Krippe Bayerns 1618 erstmals von den Jesuiten aufgebaut. Noch heute sind 80 der einen Meter hohen Figuren erhalten und werden zur Weihnachtszeit in der spätbarocken Jesuitenkirche eindrucksvoll präsentiert. In Memmingen verzaubert die Madlener-Krippe im Innenhof des Antonier-Hauses sowie Ausstellung die Besucher: Der Maler Josef Madlener hat mit seiner Art der Krippendarstellung und seinen charakteristischen Bildern von Weihnachten ganze Generationen geprägt und Sehnsüchte entstehen lassen. In Bethlehem, zwischen Füssen und Marktoberdorf gelegen, kann man sogar bei Drechslermeister Martin Adomat seine eigene Krippenfigur drechseln. Ein bürgerlicher Brauch, das Engelefliegen, hat sich in Isny erhalten und versetzt den Besucher mitten hinein in seinen Kindheitstraum. Der Advent, das sind Wochen, in denen Bräuche eine große Rolle spielen. Es ist eine Zeit der besonderen Stimmung, der Besinnung, des intensiven Fühlens. Hier gelingt es noch, das Eintauchen in eine andere Welt. Im Allgäu sind es nicht nur die Weihnachtsmärkte, sondern eigene Ausstellungen und gelebte Tradition, die den Advent verzaubern.
Weitere Informationen unter www.allgaeustaedte.de