Wie in den Allgäuer Berggipfeln die Wetterlage Obheiter die schlechte Laune vertreibt
„Pfia di“ - die nette Allgäuer Verabschiedung kommt einem auf über 800 Metern besonders leicht über die Lippen. Dann nämlich, wenn man anderswo bereits angefangen hatte, die verschiedenen Graunuancen am Himmel zu unterscheiden und bei der Ankunft im Allgäu oder bei der Bergfahrt plötzlich durch die Wolkendecke bricht: Bis zu 200 Kilometer Fernsicht auf den Gipfeln ist bei der Wetterlage „Obheiter“ derzeit oft zu erleben. Sowieso gilt das Allgäu vor allem im Winter als Urlaubsregion mit den meisten Sonnenstunden. Obheiter, das heißt schlicht: Oben auf den Bergen ist es heiter. Damit beschreiben die Einheimischen sehr treffend die sogenannte Inversionswetterlage. Das Wort Inversion bedeutet Umkehrung: Die Temperaturen sind in höheren Lagen wärmer, sie nehmen nicht wie üblich ab, sondern zu. Der Unterschied kann zehn Grad und mehr betragen. Die Folge: „Wenn unten die Luft kühler und feuchter ist, reichert sie sich mit Nebel an und dann gibt’s eine dicke Schicht. Oben auf den Bergen dagegen ist es sonnig bei strahlend blauem Himmel und mit oft spektakulär warmen Temperaturen“, erklärt Thomas Schwalm vom Deutschen Wetterdienst, der auf der Wetterwarte der Zugspitze den höchst gelegenen Arbeitsplatz Deutschlands hat.
Trübes Wetter, miese Stimmung und Winterspeck
Wenn wir nur wenig Licht abbekommen, produziert unser Körper vermehrt das sogenannte Schlafhormon Melatonin. Das drückt auf unsere Stimmung, macht müde und löst Heißhungerattacken aus. Künstliche Beleuchtung hilft da gar nicht, was fehlt, ist Tageslicht und die Bewegung im Freien. Viele Menschen leiden in dieser Jahreszeit deshalb an einer saisonalen Depression, dem Winterblues.
Johannes Rydzek, erfolgreichster Wintersportler der letzten Saison und im Allgäu aufgewachsen, rät zu dieser Medizin: „Wenn ich morgens aufwache und alles im Tal ist verhangen, schau ich auf die Webcams an den Gipfelstationen der Allgäuer Bergbahnen. Meist zeigen die mir schönsten Sonnenschein. Dann pack ich meine Sachen und zieh los.“ Die Produktion von Melatonin wird dabei ganz natürlich gedrosselt – völlig frei von Nebenwirkungen. Oben gibt auf der Sonnenterrasse der urigen Hütten dann eine leckere Brotzeit mit Allgäuer Käse, besser als jede Tablette.
Auch der Wetterbeobachter Thomas Schwalm hat eine Vorliebe für die Wetterlage „Obheiter“, vor allem, wenn er frei hat. Dann kann er sie nämlich beim Wandern und Skifahren voll ausschöpfen. Johannes Rydzek geht es ähnlich: „Wenn ich durch den Nebel komme, tauche ich wie in eine andere Welt ein. Die Gipfel, wie sie aus dem Wolkenmeer herausschauen, einfach wunderschön.“ Und gefühlt, meint der nordische Kombinierer, sei es im Allgäu viel öfter „obheiter“ als woanders. Und die meisten Allgäuer Orte liegen so hoch, dass der Nebel sie bei dieser Wetterlage sowieso nicht packen kann. Na dann: Pfia di, Winterblues!