Mehr Freiraum im Allgäu
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Allgäu GmbH, Philip Herzhoff

Sharing Economy – das Teilen als Konzept der Zukunft?

Sharing Economy wurde 2023 als Leitthema der Freiraumtagung von Allgäuer Unternehmen und Kommunen vorgestellt und diskutiert. Der Grundstein ist also gelegt.

    Die Allgäu GmbH thematisierte dieses Jahr bei der Freiraumtagung ein aktuelles und gleichzeitig betagtes Thema: die Sharing Economy. Die sogenannte „Wirtschaft des Teilens“ basiert auf der gemeinschaftlichen Nutzung von Ressourcen. Bekannte Apps wie Airbnb und Uber zeigen die Bandbreite des Trends auf: Von Unterkünften, über Kleidung bis hin zu Mobilität kann beinahe alles gemeinschaftlich gedacht werden. Ziel ist es, Ressourcen effizienter zu nutzen und gleichzeitig Kosten zu sparen, um Verbraucher weg von steigendem Konsum, hin zur bewussten Nutzung zu bringen. Im Laufe der Diskussion an der FreiraumTagung kam auf, dass es noch einen gewissen Handlungsbedarf gibt, besonders den einer Koordinationsstelle in der Region. Dennoch gibt es im Allgäu schon einige Akteur:innen, die aktiv geworden sind und darüber berichten, wie die ersten Schritte Richtung Wandel aussehen können. Sie informieren über Potentiale sowie Herausforderungen und setzen Impulse zur Vernetzung: Sharing funktioniert nur dann, wenn zusammengearbeitet und -gedacht wird.

     

    Sharing Economy im Allgäu – neue Idee oder alteingesessen?

    Der Aufgabe, wie sich die Sharing Economy als Baustein der effizienten Ressourcennutzung eingliedern lässt, vermittelt Steffen Kustermann, Mitarbeiter der ZAK Abfallwirtschaft GmbH, höchst aufschlussreich. Der ZAK selbst wurde 1972 als „Zweckverband Müllverbrennungsanlage Kempten Stadt und Land“ gegründet, mit dem gemeinsamen Ziel abfallwirtschaftliche Aufgaben zu bewältigen und zukunftsfähige Konzepte der Abfallwirtschaft zu erarbeiten. Neben Müllheizkraftwerken, Deponien und Wertstoffhöfen betreibt der ZAK auch Gebrauchtwarenhäuser, ist damit ganz nah dran, wenn es um die Abfallmengen in der Region geht. Knapp 60.000 Tonnen Rest- und Sperrmüll konnten alleine im Jahr 2021 verzeichnet werden und die Mengen an Müll steigen weiter. Der Welterschöpfungstag, also der Tag im Jahr an dem die natürlichen Ressourcen, welche uns der Planet für ein Jahr zur Verfügung stellt, aufgebraucht sind, besagt: dass unsere Ressourcen für dieses Jahr bereits aufgebraucht sind. Dieser beläuft sich im Jahr 2022 weltweit auf den 28. Juli. In Deutschland war dieser schon am 04. Mai erreicht. Fakt ist: es müssen nicht nur weltweit, sondern auch regional Lösungen gefunden werden. Die Sharing Economy bildet dabei einen wichtigen Baustein zur vernünftigen Ressourcennutzung und beginnt schon im Kleinen: alleine die Weitergabe von Kleidung an Bekannte oder das Weitergeben einer Bohrmaschine an den Nachbarn kann als Sharing bezeichnet werden. Im größeren Stil im Rahmen von Unternehmen kann neben Maschinen auch Personal ausgetauscht werden. Um Sharing aber größer denken zu können bedarf es neben Eigentümer:innen und Suchenden eine Plattform, durch welche die Vernetzung übernommen wird. Am meisten genutzt werden die schon bestehenden Angebote durch Mitfahrgelegenheiten, Werkzeug- oder Bikesharing. Neben den ökologischen Vorteilen kann so der Zugang zu schwer zugänglichen Ressourcen möglich gemacht sowie Kostenersparnisse erlangt werden. Sharing Economy ist also nicht mehr nur ein Geschäftsmodell, sondern bildet auch die Gemeinschaft, leistet einen Beitrag zum Klimaschutz und unterstützt ökologische, ökonomische und soziale Belange. Sharing Economy kann durchaus als Lebenseinstellung bezeichnet werden. 

    Gemeinsam fahren statt einsam fahren: Fahrgemeinschaften als Mittel zum Teilen

    Darüber, wie Fahrgemeinschaften dabei helfen können, das Miteinander innerhalb eines Betriebs zu stärken, berichtet Pascal Schwarz, der Nachhaltigkeitsmanager der Firma elobau GmbH & Co. KG mit Sitz in Leutkirch eindrucksvoll. Mit über 1200 Mitarbeitenden fokussiert sich der Betrieb auf die Ökologie und basiert auf dem Miteinander. Elobau formuliert sein Nachhaltigkeitsverständnis wie folgt: „Ohne eine intakte Umwelt fehlt die Grundvoraussetzung für soziale Stabilität. Ohne soziale Stabilität ist wiederum kein ökonomisches Handeln möglich.“ Die Mitfahrerplattform „Zammefahre“, entwickelt durch das Münchner Startup „RideBee“, soll es Mitarbeiter:innen einfacher machen, nicht zur zu elobau, sondern allgemein nach Leutkirch zu kommen. Mit etwa 500 Registrierungen und einem Einzugsgebiet von 50 Kilometern ist das Projekt am Laufen – allerdings gilt hier das Motto: „Je mehr desto besser“, weshalb weiter daran gearbeitet wird, den Einstieg in das Konzept möglichst niederschwellig zu gestalten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Weniger Parkplatzbedarf, weniger Kosten, mehr Zeit zum Entspannen.

    „Eigentlich macht das doch schon jeder und sehr lang“

    Weiterführend berichtet Michael Kühn von dem Betrieb Neuland über die Ansätze des Sharings in seinem Unternehmen. Kühn stellt richtig fest, dass Sharing eigentlich gar kein neues Konzept ist, denn „eigentlich macht das doch schon jeder und sehr lang“. Neuland setzt daher auf Fachkräftesicherung im Rahmen der Ausbildung und der mobilen Reserve. Diese besitzen Know-how und Netzwerke, ein Herzensthema Kühns. Neben dem Ausleihen von Maschinen an Partner, werden Coworkingräume zur Verfügung gestellt, auch abends, wenn die Räume nicht mehr betrieblich genutzt werden. Aber auch Mitarbeiter:innen werden unter anderem mit Bosch, Dobler oder der Bundeswehr geteilt. Grundlage für alle Ansätze ist dabei ein gutes Netzwerk. Herausfordernd zum Vorschein gebracht werden dabei die Bürokratie, Versicherungen im Falle eines Unfalls, das Ansteigen des Mindestlohns und Mut, um sich von alten Mustern zu lösen. Daher wird es in Zukunft weiter notwendig sein, zu sensibilisieren.

    Gemein(d)schaftlich zum Sharing

    Neben zahlreichen Bildungsmaßnahmen in Bezug auf Nachhaltigkeit und Natur wird in der Naturgemeinde Kettershausen auch unentgeltliches Teilen großgeschrieben. In beinahe allen Bereichen findet in Kettershausen laut Herrn Dr. Markus Koneberg, dem ersten Bürgermeister, Sharing Anwendung. Die Jagdgenossenschaft beispielsweise nutzt gemeinschaftlich Holzspalter und eine Kehrmaschine. Feuerwehrbekleidung wird in der Wäscherei der Nachbarfeuerwehr gewaschen. Auch Musikkapellen unterstützen sich über die Gemeindegrenzen hinweg bei größeren, jährlichen musikalischen Zusammentreffen. Für diese steht eine Weinlaube, eine Bühne, Verkaufswägen oder sogar ein Grillhähnchenstand zur Verfügung. All diese Dinge lagern auf dem Bauernhof und können bei Bedarf ausgeliehen werden. Auch eine Pflanzenbörse konnte sich etablieren: Über WhatsApp tauschen sich Interessierte aus, um zu Tauschen und Pflanzen vor dem Kompost zu retten und Geld zu sparen. Ein weiteres Muster zum Thema Foodsharing stellt das gemeinschaftliche Sammeln von Äpfeln dar, woraus dann gegen Spende in einer mobilen Obstpresse Apfelsaft gegen Spende an die Sammler weitergegeben wird. Innerhalb der Gemeinde gibt es also zahlreiche Beispiele zum Sharing, sie scheint der perfekte Ort zum sharen. Das mag laut Koneberg daran liegen, dass 79% der Menschen zwar bereit sind zu teilen, aber nur mit Bekannten. Daraus ergeben sich folgende Herausforderungen: Wie können Sharing Angebote publik gemacht werden und wer kümmert ich drum? Ein „Kümmerer“ / eine „Kümmerin“kann dabei als Ansprechpartner:in und Verantwortliche:r dienen. Koneberg sieht allerdings auch viele Vorteile: Neben der steigenden Resilienz werden Identifikation und Gemeindezusammenhalt gefördert.

    Zwischen Kümmerern und Bewusstseinsbildung

    Insgesamt sind sich sowohl Publikum als auch die Speaker einig: um das System des Teilens langfristig zu etablieren benötigt es einen „Kümmerer“. Innerhalb der Unternehmen oder Gemeinden oder größer gedacht auf gesamte Regionen. Dazu muss in Zukunft noch mehr Bewusstseinsbildung in Führungspositionen sowie in der Bevölkerung vorangetrieben werden. Denn Sharing ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen.