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Allgäu GmbH, Philip Herzhoff

Vom Scheitern und Wachsen: Fehlerkultur als Idee einer resilienten Region

Vom Scheitern spricht niemand gern – Aber warum eigentlich? Über Jahrtausende hat sich das Scheitern als negativer Begriff etabliert. Scheitern steht in diesem Zusammenhang für Misserfolg, Fehler und zeigt Schwäche. Dass genau diese Schwäche allerdings auch als Stärke gesehen werden kann, zeigt die sogenannte „Fuckup“-Kultur.

    Das Scheitern und die damit verbundene Fehlerkultur sind, besonders in Krisensituationen, Teil des wirtschaftlichen Handelns und können – je nach Umgang – eine sehr bedeutende Chance des Weiterwachsens bieten. Ursprünglich stammt der Begriff der „Fuckup“-Kultur aus der Gründerszene. Eine anfänglich gute Idee gerät ins Stocken, entwickelt sich nicht und scheitert letztendlich. Weltweit werden dieser Tage „Fuckup“ Nights zelebriert. Im Mittelpunkt stehen dabei Misserfolge – Allerdings nicht, wie vielleicht zu erwarten wäre im negativen Bereich, sondern durchaus im positiven Sinne. Werte wie Ehrlichkeit, Mut zur Transparenz, Erfahrungsaustausch sowie das Voneinander Lernen werden vermittelt. 

    Immer mehr erhält die Fehler- und Lernkultur auch Einzug in die Debatten rund um das Thema Resilienz: Aus Krisen lernen und widerstandsfähiger für kommende Hindernisse werden. Übertragbar ist dies allerdings nicht nur auf Startups, sondern auch auf jegliche weitere Themengebiete, welche von der Resilienz umfasst werden.

    Warum also Schweigen über die Potentiale des Scheiterns, wenn daraus doch Potentiale für sich selbst oder andere gegriffen werden können? Wir haben mit Cornel Scheuerl, Gründer eines Allgäuer Start-Ups, über das Scheitern gesprochen. Er hat 2020 ein Start-Up mit einem Geschäftspartner aus dem südlichen Afrika gegründet. Er berichtet über seine persönlichen Erfahrungen in Bezug auf das Scheitern, was ihm in dieser Zeit geholfen und was er aus dem Misserfolg für sich gelernt hat.

     

    Der Zusammenschluss mit dem Geschäftspartner war zu Anfang die ideale Lösung für Ihr Unternehmen. Wie sind Sie darauf gekommen, dass etwas nicht stimmt?

    Cornel Scheuerl: Am Anfang waren mein Geschäftspartner und ich die perfekte Ergänzung. Doch dann sind die Weiterentwicklungen nicht so eingetroffen wie vereinbart und bezahlt. Hinzu kam, dass mich externe Dienstleister kontaktierten, dass bei Ihnen offene Rechnungen aufgelaufen sind, die mein Partner mit seiner Firma nicht beglichen hat.

    Wie sind Sie mit der Situation umgegangen?

    Cornel Scheuerl: Es war im Endeffekt keine Frage, dass ich mit dem Konzept weitermache – aber auf meine eigene Art und Weise. Bei allen wirtschaftlichen Altlasten, die wir aus dieser Geschichte haben, hatten wir Verpflichtungen gegenüber unseren Kunden zu erfüllen. Wenn wir diese nicht erfüllt hätten, wäre es für meinen Ruf aber auch den Namen meiner Familie nicht tragbar gewesen. Daher wurde mir diese Entscheidung teils abgenommen. Ich habe also mit den externen Dienstleistern und den Kunden direkt gesprochen und darüber informiert wie sich die Situation darstellt und mit offenen Karten gespielt.

    Was hat Ihnen geholfen die Situation zu akzeptieren? 

    Cornel Scheuerl: Ein entscheidender Punkt war, wie die Kundschaft, die Investitionen getätigt hat und für die das Geld nun weg war, reagiert. Mir hat es unglaublich geholfen, dass die Reaktionen allesamt zusprechend waren. Durch die offene und ehrliche Kommunikation haben sie das Vertrauen zu mir als Person nicht verloren. Was mir zudem extrem geholfen hat, war ein pferdegestütztes Coaching, was mir bei der Verarbeitung und meiner persönlichen Resilienz unglaublich weitergeholfen hat.

    Meist werden Misserfolge als negativ angesehen. Wie sind Sie mit dem Misserfolg umgegangen?

    Cornel Scheuerl: Die Perspektive darauf musste sich bei mir erstmal verändern. Natürlich ist es ein negatives Gefühl getäuscht zu werden. Man hinterfragt sich selbst und hat im ersten Moment dieses Misserfolgsgefühl. Aber dann war ich an dem Punkt angelangt, an dem ich gesagt habe: Was kann ich daraus mitnehmen? Wie kann es weitergehen? 

    Was nehmen Sie aus dieser Erfahrung mit? 

    Cornel Scheuerl: Aus dieser Zeit habe ich viele Kontakte und persönliche Netzwerke gewonnen. Auch die Erfahrungswerte an sich, das persönliche Wertekonstrukt, was ich nun für mich selbst definiere, das kann mir keiner mehr nehmen. Auch werde ich künftig vermehrt auf die Werte und Aussagen anderer Menschen achten, mit denen ich zusammenarbeite.

    Was würden Sie anders machen, wenn Sie nochmals in einer solchen Situation wären?

    Cornel Scheuerl: Rückblickend ist es schwierig zu sagen, dass ich an dieser oder jener Stelle anders entscheiden hätte müssen. Hätte ich früher anders entschieden, dann würde ich jetzt nicht an diesem Punkt im Leben sein. Wir hätten eine andere Ausgangssituation mit unserem Unternehmen und ich hätte gegebenenfalls viele Personen nicht kennengelernt, mit denen ich jetzt sogar zusammenarbeite. Eigentlich muss ich sagen: Nein, es gibt in dem Kontext keine Situation die ich bereue. Es waren zu diesem Zeitpunkt Entscheidungen, die ich manchmal mit gesundem Respekt, aber stets mit bestem Wissen und Gewissen getroffen habe.

    Was würden Sie ähnlich Betroffenen mit auf den Weg geben?

    Cornel Scheuerl: Einer der wichtigsten Gedankengänge, die ich irgendwann realisiert habe, ist: Es geht immer weiter. Es ist völlig egal wie aussichtslos die Situation ist oder wie hoch die Belastung ist, es geht immer weiter. Auch zahlen sich Offenheit und Ehrlichkeit aus. Das heißt, wenn man in so einer Situation ist, dann gibt es auch immer Personen, die einem aus so einer Situation helfen. Entscheidend ist, die Hürde für sich selbst zu überwinden, nach Unterstützung zu Fragen. Das ist ein wichtiger Teil von Resilienz.

    Was würden Sie sagen – macht Sie diese Erfahrung „resilienter“?

    Cornel Scheuerl: Definitiv. Es ist wesentlich die Krisen anzunehmen, aus ihnen zu lernen und damit widerstandsfähig zu werden. Die Selbstreflexion kann einem hier sehr helfen. Gerade im Wirtschaftsbereich ist es Zeit für eine tiefgreifende Veränderung. Es gibt so viele Krisen, die parallel ablaufen, aber nur zusammen gelöst werden können. Es gibt so viele menschliche Spannungen. Deshalb muss der Fokus auf dem bindenden Element liegen, auf dem, was wir als Region und Gesellschaft gemeinsam haben.

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