„Damit fing alles an“, meint Christian Schedler. In seinen Händen, die in weißen Stoffhandschuhen stecken, hält der Leiter des Mindelheimer Kulturamtes behutsam seinen größten Schatz: eine 8,5 Zentimeter große Figur aus Holz. So unscheinbar und doch von unschätzbarem Wert, denn es ist das älteste Jesulein der Welt aus der Zeit um 1300.
Das Unikat ist das Prunkstück des Schwäbischen Krippenmuseums in Mindelheim und wohl von unschätzbarem Wert. Aus der Spätgotik ist das zweitälteste Jesukind der Sammlung, geschnitzt von Michel Erhart aus Ulm.
Ganze vier Jahre lang war die Sammlung wegen Sanierung geschlossen. Nun zeigt sich ein völlig neues Museum auf 400 Quadratmetern im ehemaligen Jesuitenkolleg. Nicht chronologisch, sondern thematisch wird Krippengeschichte, Bedeutung und Symbolik über Medien- und Mitmachstationen vermittelt. Die Besucher treten auf diese Weise in einen Dialog mit den Exponaten. Eigene Angebote für Kinder geben die Inhalte spielerisch weiter.
Ältestes Jesukind der Welt aus der Zeit um 1300
Herzstück der Sammlung aller Krippenfiguren sind die beiden Christkinder: Das „Millionenbaby“ aus Ulm stammt aus dem 16. Jahrhundert, das älteste Jesukind der Welt aus dem 14. Jahrhundert. Aus einem Kloster in Leutkirch fand es den Weg nach Mindelheim, der Künstler ist nicht bekannt. Locker im Schneidersitz, eine Hand an der Fußsohle, einen Finger im Mund – so bewegt und kindlich dargestellt fällt es völlig aus seiner Zeit. „Denn erst ab dem Jahr 1500 verbreitet sich die Christkind-Verehrung in alle Welt bis nach Lateinamerika. Übrigens stammt die Idee, das Jesus-Kind aus der Krippe herauszulösen und einzeln zu verehren, aus schwäbischen Frauenklöstern“, erzählt Christian Schedler. Aus dieser Zeit stammt das zweite Prunkstück, ein stehendes Jesulein vom spätgotischen Bildschnitzer Michel Erhart aus Ulm. Schedler nennt es liebevoll sein „Millionenbaby“, denn sein Wert liegt deutlich über eine Millionen Euro.
40 figurenreiche Krippen undzeitgenössische Arbeiten
Von Ton und Papier bis Holz, von klassisch-alt bis abstrakt-modern, von Volkskunst bis zu hoher Kunst: 40 sehr unterschiedliche Krippen sind in ihrer ganzen Vielfalt und Pracht aufgebaut und zu bewundern, als Miniatur-Landschaften professionell ausgeleuchtet wie auf einer Mini-Theaterbühne. Zum Beispiel gibt es eine große Münchner Krippe aus dem Jahr 1910 oder auch die Krippe der Wittelsbacher. Das Adelsgeschlecht hatte seine Figuren im Exil eigenhändig hergestellt. Wie das vonstatten ging, hören die Besucher per Knopfdruck, nacherzählt aus persönlichen Aufzeichnungen von Prinzessin Eleonore. In vielen Vitrinen rund herum sind einzelne Figuren und Kleingruppen herausgepickt und in Szene gesetzt, so dass sie richtig lebendig wirken. Ein Zeichentrickfilm eines russischen Künstlers und eine Art Cartoon eines Kölner Künstlers, dazu viel verschiedene Hör- und Mitmach-Stationen sowie Guck-Kästen, die den Besucher durch ihre räumliche Tiefe in den dargestellten Schauplatz hineinziehen.
Vitrinen von der Stange findet man nicht. „Das Museum wurde um die Exponate herumgebaut“, erklärt Friederike Haber. Die Leiterin des Krippenmuseums hat zusammen mit Christian Schedler viel Herzblut, Energie und Recherchen in dieses Projekt gesteckt. Eigens ist die Kunsthistorikerin auf Kirchendachböden herumgekrochen, um dort vergessene und verstaubte Krippenfiguren zu entdecken und sie in ihr Museum zu bringen.
Der Ursprung der Krippendarstellung, das Mindelheimer Museum
Das Schwäbische Krippenmuseum hat in Mindelheim seinen perfekten Platz. Denn hierher kamen vor 400 Jahren die Jesuiten, bauten das Kolleg und entdeckten die Krippe als Medium, um die Geburt Jesu zu verkünden. Von hier aus ging die Begeisterung für Krippen in alle Himmelsrichtungen. Noch immer wird jedes Jahr die älteste und größte Krippe Schwabens im Chorraum der benachbarten Jesuitenkirche aufgestellt, und zwar vom 1. Adventssonntag bis zu Lichtmess am 2. Februar. „Unser Museum ist in spannendem Sinne unübersichtlich. Es macht Spaß, sich darin zu verirren. Wer sich darauf einlässt, verbringt hier gut und gerne zwei Stunden. Oder auch den ganzen Tag wie so mancher Krippen-Freak oder Krippen-Schnitzer“, meint Schedler. Wir meinen: Ein Highlight – vor allem, aber nicht nur zur Weihnachtszeit! Denn kein anderes Museum in Süddeutschland beschäftigt sich so umfassend mit der Krippenthematik wie das neu gestaltete Museum, das bereits 1903 gegründet wurde.
Info: Neueröffnung am 25. Oktober 2018, Schwäbisches Krippenmuseum, Hermelestr. 4, 87719 Mindelheim, Tel. 08261-909760, www.mindelheimer-museen.de
Öffnungszeiten: Täglich außer Montag von 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr. Führungen nach Vereinbarung. Eintritt: 2,50 Euro.
Noch mehr Krippen in den Allgäuer Städten:
Kreativ: Krippenbau-Schule in Kempten, hier fertigen Hobbyschnitzer mit professionellen Werkzeug, Kurse gibt es über das Jahr verteilt: www.krippenbauschule-hobbyschnitzer-kempten.de
Romantisch: Im beleuchteten Innenhof des historischen Antonierhauses in Memmingen ziehen lebensgroße Figuren der Weihnachtskrippe Besucher in ihren Bann. Der Memminger Maler Josef Madlener hat sie erschaffen und mit seiner Darstellung des Weihnachtsgeschehen sind Generationen vertraut.
Klösterlich: In Füssen haben unter anderem einst die Benediktiner und Franszikaner für ausladende Krippen gesorgt. In der Benediktinerabtei Ottobeuren lockt die größte Krippe im Allgäu alljährlich Tausende an.
Voller Vorfreude aufs Fest, die Weihnachtsmärkte 2018
Kempten: 29.11. bis 22.12.
Memmingen: 26.11. bis 19.12.
Kaufbeuren: 26.11. bis 19.12.
Wangen: 1.12., 8.12., 15.12., 22.12.
Isny: 5.12. bis 9.12.
Leutkirch: 29.11. bis 2.12.
Füssen: 8.12. bis 10.12. und 15.12. bis 17.12.
Mindelheim: 6.12. bis 9.12. und 13.12. bis 16.12.
Marktoberdorf: 7.12. bis 16.12.
Lindenberg: 8.12.
Weitere Tipps und Anregungen zum Thema finden sich in „Allgäuer Stadtgeschichten. Wo Vergangenheit und Zukunft leben“. Die Broschüre ist kostenlos erhältlich bei der Allgäu GmbH unter Tel. 08323 / 8025931 und info@allgaeu.de, sowie unter www.allgaeustaedte.de