Sie ist ein echtes Mindelheimer Kind. Das weithin bekannte Frundsbergfest, das alle drei Jahre stattfindet, hatte es ihr schon als Grundschülerin angetan. Heute schneidert Carina Woitalka die historischen Gewänder in ihrem Atelier für Modedesign und Schnitttechnik.
Ob Landsknecht, Bürger oder adelige Dame – die 35-Jährige recherchiert vorher in Büchern und Museen, damit die Gewänder historisch korrekt aussehen. „Diesen Anspruch habe ich an mich. Trotzdem dürfen die Kleider nicht einengen, sondern sollten praktikabel für die Rolle am Frundsbergfest sein, die der Träger einnimmt“, erzählt Carina Woitalka. Das gelbe Maßband hängt ihr um den Hals, die Haare sind zu einem lockeren Dutt gebunden. Die Sätze, mit viel Gestik und Mimik unterstrichen, sprudeln nur so aus ihr heraus. Die gebürtige Mindelheimerin brennt für ihren Beruf.
Eigenes Atelier in Mindelheim
Seit sieben Jahren hat sie ihr eigenes Atelier, in einem Anbau neben dem Haus ihrer Eltern. Die großen Fenster lassen viel Licht in den Raum, mitten drin der große Zuschneidetisch, auf dem Abstecknadeln, Stoffe und Scheren liegen. Am Nebentisch stehen sich zwei Nähmaschinen gegenüber. Im kleinen Raum nebenan finden die Anproben statt. Eine an der Decke aufgehängte Kleiderstange biegt sich unter der Last von zahlreichen Roben und Kleidern. Natürlich darf der große Spiegel ebenso wenig fehlen wie der Rockabrunder, der als Kreidepuster die korrekte Länge auf dem Kleidungsstück markiert.
Schon als Kind Kleider für Puppen genäht
Zwischen Schulzeit und Selbstständigkeit ist viel passiert. Schon als kleines Mädchen beginnt Carina auf Omas Nähmaschine zu nähen, vor allem Kleidung für ihre Puppen und Stofftiere. „Ich habe meiner Oma zugeschaut und dann selbst ausprobiert. Als Teenie hat mir meine Mutter die erste Burda-Zeitschrift mit Schnittmustern gekauft. Es war schon immer mein Hobby“, lächelt sie. Nach der Fachoberschule lernt Carina Woitalka Maßschneiderin für Herren in Bad Wörishofen, arbeitet als Gesellin in einem Münchner Kostümverleih für Film, Fernsehen und Theater, und besucht die Deutsche Meisterschule für Mode in München. Diese schließt sie als staatlich geprüfte Modegestalterin und Maßschneidemeisterin ab, ein Jahr später absolviert sie noch die Prüfung zur staatlich geprüften Modellmacherin. Ihre vielseitige und fundierte Ausbildung ist die beste Basis für ihre Selbständigkeit.
Faible für New-Fashion
Seit ihrer Lehrzeit fertigt sie am liebsten Maßanzüge für Herren – die eine zu schmale oder zu breite Figur haben und nichts Passendes von der Stange finden. Gute 72 Stunden benötigt sie dafür. „Die Arbeit ist sehr aufwändig. Aber ich plädiere für DEN einen Anzug fürs Leben, der dann auch was kosten darf“, meint sie selbstbewusst. Ihr Repertoire umfasst aber weit mehr: Mit ebenso großer Leidenschaft, Fantasie und Fingerfertigkeit kreiert die 35-Jährige auch Brautkleider, elegante Abend- oder Buisness-Mode, New Fashion, Gewänder für Faschingsprinzenpaare und Trachtenkleidung für Musikkapellen. „Am Anfang habe ich immer ein langes Gespräch mit meinen Kunden, um herauszufinden, was sie sich vorstellen und wie sie ticken. Oft mache ich danach eine Zeichnung mit verschiedenen Anmerkungen, damit man sich
das vorstellen kann, oder modelliere an der Büste. Daraus entwickle ich den Schnitt“, erklärt Woitalka. Die einzelnen Teile werden zugeschnitten, genäht und zunächst nur zusammen geheftet. Dann kommt die Anprobe, mal ist nur eine nötig, oft aber mehrere. Denn das Stück soll perfekt passen.
Regel Nr. 1: Haare zum Dutt
Hochzeitstermin, Fasching, Frundsbergfest, … vor solchen Ereignissen steigt der Stresspegel. Doch selbst beim größten Zeitdruck gilt das oberste Gebot im Atelier: Haare zum Dutt binden, auch ein Pferdeschwanz ist nicht erlaubt. Denn lose Haare könnten sich in einer Maschine verfangen und eingezogen werden. Carina Woitalka achtet auch darauf, in gerader Haltung – nicht mit einem Buckel – an der Nähmaschine zu sitzen und stets konzentriert zu arbeiten. Sonst kann es passieren, dass man sich mit voller Kraft der Profi-Maschine in den Finger näht. Diese Regeln bringt sie auch ihren Auszubildenden bei. Im Herbst fängt bereits die dritte Azubine an. Darauf freut sich die Mindelheimerin sehr, da sie gerne im Team arbeitet.
Bei aller Begeisterung für ihr Handwerk, ein Ausgleich muss sein. So geht Carina Woitalka in ihrer Freizeit gerne wandern oder klettern. Nach schwierigen Routen sind allerdings ihre Finger sehr rau. Will sie dann am nächsten Tag Seide verarbeiten, bleibt sie oft hängen. „Aber jetzt habe ich einen Trick: Ich reibe meine Finger mit Olivenöl ein und stecke sie in Handschuhe, so werden sie wieder schön geschmeidig“, lacht sie.
Info:
Massatelier Carina Woitalka
Sudetenstr. 43 a
87719 Mindelheim
Tel: 0151/70003351
info@massatelier-woitalka.de
https://massatelier-woitalka.de