Den Bauernkrieg von 1525 hätte es in dieser Art ohne die Zwölf Artikel nicht gegeben“ (Historiker Peter Blickle).
Nur vier Monate dauert der Bauernkrieg, hat jedoch Spuren hinterlassen, die heute das Fundament unserer Demokratie bilden. Unter anderem werden die Feldherren Truchsess Georg aus Waldburg und Georg von Frundsberg aus Mindelheim vom Schwäbischen Bund eingesetzt, die rebellierenden Bauernheere zu bekämpfen. Nahe Kempten im Allgäu endet weitgehend der Bauernkrieg auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands.
Im Allgäu sind einige Originalschauplätze seit 500 Jahren unverändert zu sehen: Die Predigerbibliothek in Isny mit Originalschriften aus dem Jahr 1462, die Waldburg in Wangen, in der einst die Reichsinsignien aufbewahrt wurden. Die Martinskirche in Memmingen mit ihren selbstbewussten Darstellungen von Persönlichkeiten der Stadtgesellschaft. Die Blasiuskirche in Kaufbeuren als einzig erhaltene Wehrkirche in Bayern mit der bildhaften Darstellung des Lebens im 15. Jahrhundert. Kemptens unterirdische Erasmuskapelle oder die Kemptener Residenz als Wohnsitz des Fürstabtes und St. Mang. Füssen mit dem Hohen Schloss und der wechselhaften Geschichte zur Tirol. Und nicht zu vergessen, die Burgenregion Allgäu mit 45 Burgen, Schlössern und Wehranlagen die im Gedenkjahr spezielle Burgentage zur Wehrhaftigkeit von Burgen anbieten. Im Allgäu werden an historischen Orten Erinnerungstafeln stehen und wöchentlich bringen Veranstaltungen verschiedenster Art das Geschehen vor 500 Jahren nahe. Im Kloster Ottobeuren beispielsweise mit einer modernen Video-Installation in ehrwürdigem Gemäuer. Im freien Feld simulieren drei Meter hohe Kunststoff-Lanzen die Bauern und Reiter und im historischen Lagerleben wird das Mittelalert lebendig.
Alle Termine, Sehenswürdigkeiten und Orte auf einem Blick bietet die www.allgaeu.de/bauernkrieg
Projekt: Courage – Streben nach Freiheit
Weil sich die Aufstände vor 500 Jahren im Allgäu, dem angrenzenden Oberschwaben und Vorarlberg abspielten, hat der Heimatbund Allgäu federführend alle Orte zusammengebracht und einen Dokumentarfilm gedreht. Es ist ein umfangreiches Programm mit Dokumentar-Film, Erinnerungsorte, Dokumentationen, Vortragsreihen und vieles mehr zum 500-jährigen Jubiläum des Bauernkriegs geben. Eine Interaktive Karte zeigt diese Erinnerungsorte. https://www.allgaeu.de/kultur/veranstaltungen/bauernkrieg
Die Allgäu GmbH hat zudem einen Podcast mit dem Vorsitzenden Karl Milz aufgenommen – Courage, Streben nach Freiheit und warum Demokratie nicht selbstverständlich ist.
https://www.allgaeu.de/podcast/karl-milz
Die Zwölf Artikel – Memmingen als Hauptort aller Veranstaltungen
Am 6. März 1525 wurden in Memmingen die Zwölf Artikel verfasst. Binnen zwei Monaten werden sie in 15 Städten in einer Auflage von rund 25.000 gedruckt und in Umlauf gebracht. Das neue Massenmedium Flugschrift wirkt, die Idee der Menschenrechte breitet sich in den Bauernkriegen erfolgreich aus. Warum die Bauern sich ausgerechnet in Memmingen einfanden und wie der Geist der Freiheit heute gelebt wird, zeigt Memmingen mit hochkarätigen Veranstaltungen. Im Zentrum des Gedenkjahrs steht eine vom Haus der bayerischen Geschichte konzipierte interaktive Ausstellung mit dem Titel „Projekt Freiheit – Memmingen 1525“. Die Sonderausstellung ist jederzeit und kostenfrei, wie alle Memminger Museen, zugänglich. Auch werden politisch und gesellschaftlich brisante Themen in der Region diskutiert.
Der Programmkalender umfasst verschiedene kulturelle Veranstaltungen wie Theaterstücke, Ausstellungen, Konzerte, Vorträge und interaktive Formate. Hier sind einige Highlights:
- Theaterstücke: "Der Reichsbürger" (Premiere am 17.01. ), "Unterwerfung" (Premiere am 24.01. ), "Animal Farm" (Premiere am 21.03. ).
- Ausstellungen: "Giulio Camagni: 1525 - Der Aufstand" (ab 06.02. ), "Frey seyen und wöllen sein" (ab 21.02.), "Freiheit zum Träumen" (ab 21.02.).
- Konzerte: Söhne Mannheims (17.05. ), Konstantin Wecker (27.09.), Schwäbisches Jugendsymphonieorchester (26.04. ).
- Vorträge: "Warum heute glauben?" (20.02.), "Demokratie braucht Courage" (02.10. ), "Zur rechtlichen Bedeutung der 'Zwölf Artikel'" (29.09. )., Verleihung Memminger Friedenspreis an Christian Streich (03.10.)
- Interaktive Formate: "Future Hub Memmingen" (14.02. ), "FREIspiel 1525" (03.05.), "UFFRUR! ...on the road" (11.07.).
Programm 2025
Einladung zum Freiheitsjahr 2025 in Memmingen
Die Predigerbibliothek in Isny
Original erhalten aus dem Jahr 1462: Wie die Unzufriedenheit wächst und der Versuch, die Bedingungen zu verändern, zeigt die Predigerbibliothek inmitten des mittelalterlichen Ovals in Isny.
https://www.isny.de/kultur-kunst/
sehenswuerdigkeiten/predigerbibliothek.html
Die Waldburg – Stammsitz des Truchsess Georg von Waldburg
Die Waldburg ist das Stammhaus von Georg Truchsess von Waldburg, genannt Bauernjörg. Die Burg wurde nie zerstört und beherbergte heute eine museale Erlebniswelt. Unter anderem werden die Feldherren Truchsess Georg aus Waldburg und Georg von Frundsberg aus Mindelheim vom Schwäbischen Bund eingesetzt, die rebellierenden Bauernheere oder anders gesagt, den Volksaufstand, zu bekämpfen. Die Feldherren ziehen ihre blutige Spur durch Südwestdeutschland, Thüringen und Tirol, Elsass, die Schweiz und Sachsen-Anhalt. Nahe Kempten im Allgäu endet weitgehend der Bauernkrieg auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands.
Auf der Waldburg wird am 13.03. mit einem Festakt im Rittersaal die Sonderausstellung des Landes Baden-Württemberg eröffnet. Interaktive Programme, Sonderführungen, Familienevents und Bauernoper inklusive besondere Gerichte bereichern das Erinnerungsjahr. Die Burgenregion Allgäu bietet im September spezielle Burgentage zum Thema an – auf beinahe allen 45 Burgen.
Termine auf der Waldburg zum Bauernkrieg 2025
https://www.schlosswaldburg.de/
https://www.burgenregion.de/
Das Zumsteinhaus – Kempten
Heute ist das Zumsteinhaus ein Museum und Ausgangspunkt für Informationen und Rundgang zum Thema. Kempten zeigt bis heute diese auffällige Doppelstadt: die katholische Residenzstadt und die evangelische Reichsstadt. Der Stadtrat tagt übrigens immer noch in Räumen, wie sie vor 500 Jahren genutzt wurden. Auch Kempten feiert das Ereignis mit einem historischen Stadtfest.
https://kempten-museum.de/
Die Blasius-Kapelle – Kaufbeuren
Zwischen Kempten und Kaufbeuren liegen Leubas und Haldenwang – dem letzten großen Schlachtfeld des Bauernkriegs. Die Blasius-Kapelle in Kaufbeuren ist der einzig erhaltene Kirchenraum aus dieser Zeit und einzig erhaltene Wehrkirche Bayerns. Im nahen Kloster Irsee und im Kloster St. Mang in Füssen an der Via Claudia wurden Verträge geschlossen. Die Heimatpflege Ostallgäu hat ein Buch herausgegeben, das das Geschehen nachzeichnet.
https://www.kaufbeuren-tourismus.de/sehenw%C3%BCrdigkeiten-kaufbeuren.html
Die Freilichtbühne Altusried, 14.06.-16.08.2025 – 1525 Bauernkrieg
Die größte Freilichtbühne Süddeutschlands mit einer jahrhundertelangen Tradition bringt zum Gedenkjahr das Stück „1525 – Bauernkrieg“ auf die Bühne. Den Kampf um Rechte und Privilegien, gegen Unterdrückung und Ausbeutung, für die Freiheit, ihr Leben und die Zukunft zeigen die Menschen von Altusried. Eigens für Altusrieder geschrieben, werden in diesem spektakulären Theaterstück knapp 500 ehrenamtliche Mitwirkende zu sehen sein, mit allem was zum Alltag im Jahr 1525 gehörte: Ochsen, Pferde, die harte Arbeit, das Leiden aber auch das Glück.
https://www.allgaeuer-freilichtbuehne.de/1525-bauernkrieg/
Die Zeitzeugin – Bauernhausmuseum Wolfegg
Das Museum zeigt die württembergische Sonderausstellung in der historischen Zehntscheuer des Klosters Weißenau – eine Zeitzeugin, die in der Chronik der Ereignisse von Abt Murer abgebildet ist. Die Ausstellung führt zurück und durch fünfhundert Jahre Vergangenheit, zeigt die Lebensumstände und Beweggründe der Bauern und fordert auf, sich der universellen Fragen über die Ursachen von Gewalt oder den Wert der Freiheit zu stellen.
https://www.bauernhaus-museum.de/
Ausstellung „1525 – Bauernkrieg in Oberschwaben
Einladung Medienreise „Bauernkrieg 1525 “, die Zwölf Artikel aus Memmingen und der Bauernkrieg aus Sicht des internationalen Burgenforschers Dr. Joachim Zeune.
Freitag, 28.03.2025 bis Sonntag, 30.03.2024
Der Bauernaufstand von 1525 tangierte auch etliche Allgäuer Burgen und Burgschlösser mit unterschiedlichen Ergebnissen: einige der attackierten Burgen wurden offenbar problemlos erobert, andere dafür mühsamer, manche hingegen erfolglos. Manche wurden offenbar überhaupt nicht angegriffen. Bei unserer Reise stehen am zweiten Tag nicht die sozialpolitischen Hintergründe und Aspekte im Vordergrund wie bei allen anderen Aktionen bundesweit, sondern die fortifikatorischen Aspekte:
Wie agierten die Bauernhaufen an den Burgen? Wie waren sie militärtechnisch ausgerüstet und strukturiert? Wie schafften sie es, so viele Burgen einzunehmen? Wo scheiterten sie warum? Lag das an der Effizienz der Wehrhaftigkeit? Was geschah auf den meisten übergebenen Burgen bzw. mit den eroberten Burgen?
Programm und Anmeldunghttps://b2b.allgaeu.de/presse/pressetexte/einladung-medienreise-1525-bauernkrieg-mit-burgenforscher-dr-zeune
Interview mit Wissenschaftsjournalist und Bestsellerautor Dr. Christian Pantle
„Allgäu hatte entscheidende Rolle im Bauernkrieg“
„Ohne die Zwölf Artikel, die ja im Allgäu verfasst wurden, hätte es den Bauernkrieg in diesem Umfang und dieser Tragweite nie gegeben“, sagt Wissenschaftsjournalist und Spiegel-Bestseller-Autor Christian Pantle in Hinblick auf sein Buch
„Der Bauernkrieg – Deutschlands großer Volksaufstand“. Im Interview beantwortet Christian Pantle Fragen zum Bauernkrieg auf Allgäuer Gebiet.
Herr Pantle, in Wolfertschwenden im Allgäu ist das Kunstwerk „Lanzenfeld“ von Raimund Schucht zu sehen. Sie standen jüngst inmitten der Lanzen, die wie die Spieße der 6000 im Bauernkrieg zu Fuß kämpfenden Landsknechte vertikal in den Himmel ragen. Wie ging es Ihnen dabei? Was ist Ihnen in den Sinn gekommen?
Ich habe eine Mischung aus Respekt und Verlorensein empfunden. Respekt vor den Menschen, die solche bis zu fünf Meter hohen Spieße nicht nur getragen haben, sondern damit auch kämpfen konnten. Und Verlorensein als das Gefühl, das mich wohl überkommen hätte, wenn ich damals in einem Pulk aus Männern und himmelhohen Spießen gestanden wäre.
Was löst das Stichwort „Bauernkrieg“ in Ihnen aus?
Das Bedürfnis, darüber zu erzählen – es ist so ein spannendes Stück unserer Geschichte, das so viele moderne Vorurteile widerlegt und so viel über den Mut und die Weitsicht der so genannten einfachen Menschen verrät.
immer wieder hört man, die Situation der Bauern zur Zeit des Bauernkriegs sei zum Heulen gewesen. Was beurteilen Sie sie Lage der Bauern damals?
Die Lage war nicht so schlecht, aber es ging bergab – da kann man durchaus Parallelen zu heute sehen. Im späten Mittelalter verfielen die Getreidepreise, die Landbevölkerung verarmte und floh in die Städte. Viele Herren versuchten verzweifelt, ihre Bauern bei sich zu behalten, und taten dann genau das Falsche: Sie beschnitten deren Freiheit noch mehr und schürten so die Wut.
Der Begriff „Bauernkrieg“ ist irreführend. Am Aufstand nahmen nicht nur Bauern, sondern auch andere teil.
Richtig, von Anfang beteiligten sich zahlreiche Bürger der Städte, oft auch in führender Position. Der Begriff „Bauernkrieg“ stammt nicht von den Rebellen selbst, sondern von den Herren und ihren Chronisten. Er ist also im Grunde eine Fremdbezeichnung und diente unter anderem dazu, den Aufstand zu diskreditieren. Forscher haben daher die Frage gestellt, ob man nicht besser von einem Bürgerkrieg sprechen sollte. Ich persönlich finde die Bezeichnung Volksaufstand am treffendsten.
Auf der anderen Seite standen die Adligen, die sich nicht unbedingt einig waren. Wie lebten die Adligen im Vergleich zu den Bauern?
Natürlich deutlich besser. Aber auch sie spürten die Folgen der spätmittelalterlichen Agrarkrise, und viele Kleinadlige standen vor dem Ruin.
Was wollten „die“ Bauern?
Die einzelnen Rebellen hatten die unterschiedlichsten Motive, von persönlicher Raublust bis zum Ideal einer gerechten Gesellschaft. Aber sie besaßen alle eine gemeinsame Grundlage: die „Zwölf Artikel“, ein politisches Manifest, das die großen oberschwäbischen Bauernhaufen im März 1525 in Memmingen verabschiedet hatten. Kernforderungen des Manifests waren die freie Wahl des Pfarrers, weniger Abgaben und Frondienste sowie persönliche Freiheit, also Abschaffung der Leibeigenschaft.
Welche Rolle haben die Frauen und die Kinder gespielt?
An den Kämpfen beteiligten sie sich nicht, aber sie hielten den Männern den Rücken frei. Wer bewirtschaftete wohl die Höfe, während die Bauern in den Rebellenheeren umherzogen?
Warum hat sich der Bauernkrieg derart ausgeweitet?
Die Bauern gaben die „Zwölf Artikel“ am 19. März 1525 in Augsburg in Druck. Sie gehörten damit zu den Ersten, die gedruckte Flugschriften für politische Zwecke einsetzten – die Flugschrift war damals ein so neues und revolutionäres Massenmedium wie es heute Smartphone und soziale Medien sind. Der Erfolg war verblüffend: Binnen zwei Monaten wurden die „Zwölf Artikel“ etwa 25 000 Mal gedruckt, in 15 Städten von Zürich bis nach Breslau im heutigen Polen. Das brachte quer durch das Land die Menschen in Bewegung: Vom Schwarzwald bis nach Thüringen formierten sich wie aus dem Nichts Bauernhaufen, die sich auf die Zwölf Artikel beriefen.
Wie beurteilen Sie die Rolle des Allgäus im Bauernkrieg?
Eine entscheidende. Ohne die Zwölf Artikel, die ja im Allgäu verfasst wurden, hätte es den Bauernkrieg in diesem Umfang und dieser Tragweite nie gegeben. Er wäre eine normale Rebellion geblieben und nicht zu dem größten Volksaufstand geworden, den es je in Deutschland gegeben hat.
Die Adligen hatten professionelle Kämpfer in ihren Reihen. Wie haben sich die Bauern beholfen? Wie waren die Kräfteverhältnisse?
Am Anfang hatten die Aufständischen sogar die klare Übermacht. Sie waren viel besser bewaffnet als man heute oft denkt – vergessen Sie bitte die Bilder von Bauern mit Mistgabeln. Die meisten besaßen richtige Waffen, viele auch Rüstungen, weil die Wehrpflicht damals sehr verbreitet war. Zudem hatten sie erfahrene Kriegsleute in ihren Reihen. So formten sich Dutzende Bauernhaufen, das heißt Rebellenheere, die oft mehrere tausend Mann stark waren. Diese übernahmen in ihrem Gebiet die Herrschaft, ließen oft die Städte, Gemeinden, Klöster und Adlige auf die „Zwölf Artikel“ schwören. Die Württemberger Rebellen eroberten sogar kampflos die Hauptstadt Stuttgart und regierten fast das ganze Land. Aber die Herrscher stellten nach einer ersten Schockstarre professionelle Söldnerarmeen auf, und ab April 1525 schlugen diese gnadenlos zu.
Wie viele Menschen sind auf beiden Seiten in den Krieg gezogen?
In den Rebellenheeren zogen geschätzt 200 000 Bauern und Bürger mit. Alleine im heutigen Baden-Württemberg waren es mehr als 100 000, etwa 60 bis 70 Prozent aller Männer im wehrfähigen Alter. Es war eine Bewegung in einer Breite und Tiefe, die bis heute ihresgleichen sucht. Ihr gegenüber standen mehrere Armeen des Adels. Die wichtigste im süddeutschen Raum war 8000 Mann stark und wurde angeführt von Georg Truchsess von Waldburg, der wegen seines brutalen Vorgehens den Spitznamen „Bauernjörg“ erhielt. Er gewann alle großen Schlachten, weil die Bauernhaufen über das Land verteilt waren. So konnte der Truchsess einen nach dem anderen attackieren.
Es gibt Historiker, die sagen, seine Rolle sei bisher überbewertet worden. Er wird von manchen auch nicht mehr als der Bauernschlächter gesehen – vielleicht auch aus Eigennutz, weil die Bauern für das Überleben der Adligen wichtig waren.
Hier muss man differenzieren. Georg Truchsess führte in Süddeutschland einen gnadenlosen Feldzug, dem mehr als 20 000 Menschen zum Opfer gefallen sind, inklusive zahlreicher Hinrichtungen. Ihn als Bauernschlächter zu bezeichnen, ist sicher nicht falsch. Aber Georg Truchsess war bei aller Brutalität auch ein Mann, der sein Wort hielt: Im Bauernkrieg schloss er mit den oberschwäbischen Rebellen den Vertrag von Weingarten, um sich den Rücken für den weiteren Kriegszug freizuhalten. Nach dem Sieg gehörte er dann zu den ganz wenigen Landesherren, die sich an ihre Zusagen hielten. Wie versprochen führte er 1526 offene Verhandlungen mit seinen Untertanen, und am Ende erhielten diese deutlich mehr Rechte, schriftlich verbrieft. Sie konnten sich fortan sogar für eine festgelegte, überschaubare Summe aus der Leibeigenschaft freikaufen, wenn sie das wollten. In diesem Punkt war der Truchsess, der zu Recht zu den Schreckensgestalten des Bauernkriegs zählt, nun plötzlich eine positive Ausnahmeerscheinung. Die Menschen sind nicht nur schwarz oder weiß.
Bekannt ist die Bluttat von Weinsberg, bei der die Bauern Adlige durch einen Spießrutenlauf verhöhnt und getötet haben. Hat damit der Krieg an Brutalität zugenommen?
Das haben die Herren behauptet, die als Sieger die Geschichte schrieben. Tatsächlich richteten die Aufständischen am 16. April 1525 vor Weinsberg zehn Adlige hin, nachdem sie diese im Kampf gefangen genommen hatten. Das blieb aber die einzige bekannte Gruppentötung durch die Rebellen. Eine Hunderte mal größere Bluttat hatte der Truchsess schon zwölf Tage zuvor begangen: in der ersten Schlacht des Bauernkriegs, die in Wahrheit ein reines Abschlachten war. Seine Soldaten fielen am 4. April bei Leipheim über einen Bauernhaufen her und töteten Tausende praktisch ohne Gegenwehr. Aber das fand jahrhundertelang in der Geschichtsschreibung viel weniger Beachtung, denn die Opfer waren ja nur namenlose Bauern.
Auf den Schlachtfeldern sind Schätzungen zufolge 70 000 Menschen umgekommen, 2000 bis 10 000 wurden danach hingerichtet. Wie verteilen sie sich auf die beiden Parteien? Gibt es eine Zahl, wie viele Menschen zu Krüppeln beziehungsweise zu Waisen gemacht wurden?
Die Verteilungen der Opferzahlen ist extrem ungleich. Die Aufständischen richteten ihre Gewalt fast ausschließlich gegen Sachen, insbesondere Klostergebäude, Burgen und Schlösser, aber fast nie gegen Menschen. Ihre adligen Gegner zeigten keine solchen Skrupel. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber ich würde schätzen, dass 99 Prozent der Todesopfer echte oder vermeintliche Aufständischen waren. Und zwar fast durch die Bank Männer – Vollwaisen gab es also nur wenige. Wie viele Menschen zu Krüppeln wurden, wissen wir nicht.
Gab es in Folge des Bauernkriegs eine Hungersnot?
Davon ist nichts bekannt. Offenbar gelang es den Frauen und überlebenden Männern, die landwirtschaftliche Produktion aufrechtzuerhalten.
Letztlich haben die Bauern den Krieg verloren. Mit welchen Folgen?
Kurzfristig mussten die Bauern neben den Zehntausenden Toten auch kollektive Geldstrafen und demütigende Maßnahmen erdulden. Beispielhaft ist der Fall eines Untertans aus Neckarsulm: Er musste seine Waffen abgeben, durfte fortan kein Wirtshaus mehr besuchen und an keiner Versammlung mehr teilnehmen. Das war normal, hinzu kam bei ihm noch eine befremdliche Auflage: „künftig nur noch einen halben Bart zu tragen, die andere Hälfte aber alle zwei Wochen abscheren zu lassen“.
Und die langfristigen Folgen?
Hier gibt es auch Positives zu berichten, die Rechte der Untertanen verbesserten sich. Denn die Herren blieben trotz ihres Sieges verängstigt, entwickelten eine geradezu paranoide Furcht vor neuen Aufständen. In der Folge verabschiedete der Reichstag, das Parlament des deutschen Reichs, 1555 eine modern anmutende Rechtswegegarantie: Alle Untertanen, die erfolglos vor örtlichen Gerichten gegen ihren Herrscher geklagt hatten, konnten nun vor dem obersten Gerichtshof des Reichs Berufung einlegen. Wer kein Geld hatte, dem wurden Anwalt und Untersuchungsrichter gestellt. Die Menschen machten von dem neuen Recht so rege Gebrauch, dass sich einige Landesherren über die mutwillige Prozessiererei ihrer Untertanen beschwerten – und die Konflikte zwischen Bevölkerung und Herrschern nun meist friedlich verliefen.
Welche Rolle spielte Martin Luther im und für den Bauernkrieg?
Eine mehr als zwiespältige. Luther verfasste zwar 1520 die Denkschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, aber diese Freiheit bezog er ausschließlich auf geistliche Dinge. Der weltlichen Obrigkeit sei unbedingt Gehorsam zu leisten, predigte Luther, selbst wenn sie böse und unrecht ist. Im Bauernkrieg zeigte er sich zunächst verständnisvoll, verfasste dann aber im Mai 1525 die furchtbare Schrift „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“, in der er hasserfüllt dazu aufrief, die Aufständischen erbarmungslos zu töten. Damit schlug sich Luther ganz auf die Seite der Herrschenden – und erteilte gleichsam den Freibrief für die folgenden Blutbäder.
Was sind die noch heute gültigen Botschaften?
Wer den Menschen Rechte nimmt, macht sie wütend. Und niemand sollte die sogenannten einfachen Leute unterschätzen – sie denken bisweilen fortschrittlicher und sehen klarer als die vermeintlich großen Köpfe.
Sie haben mehr als zwei Jahre lang an Ihrem Werk geschrieben. Was hat Sie am meisten beeindruckt beziehungsweise überrascht?
Ich bewundere den Mut der Aufständischen – sie wussten ganz genau, dass ihre Obrigkeit skrupellos mit Waffengewalt vorgehen wird. Wie sie trotzdem zu Abertausenden ihr Leben aufs Spiel setzten für mehr Freiheit und Gerechtigkeit, darüber kann ich nur staunen.
Erwarten Sie, dass die weitere Forschung noch überraschende Erkenntnisse zu Tage bringt?
Neues erhoffe ich mir vor allem von der Archäologie. Spektakuläre Funde gelangen bislang eher zufällig, wie etwa 26 Skelette aus der Schlacht bei Leipheim, die 1994 bei Bauarbeiten entdeckt wurden. Systematische Grabungen könnten noch Vieles ans Licht bringen.
Im Allgäu gibt es ein großes Programm zum Thema „500 Jahre Bauernkrieg“. Welche Orte sollte man aus Ihrer Sicht unbedingt besuchen?
Zuerst Memmingen. Dort können Sie das Kramerzunfthaus besichtigen, in dem die Zwölf Artikel beschlossen wurden, und ab 16. März die vielversprechende Bayernausstellung „Projekt Freiheit – Memmingen 1525“. Danach haben Sie die Qual der Wahl. Ich empfehle einen Blick in das umfangreiche Programm, zu finden unter dem Stichwort „Projekt Courage“. Und dann suchen Sie sich die Ausstellungen, Theaterstücke, Kunstaktionen, Vorträge oder Festakte aus, die Ihnen am meisten zusagen.
Kurzvita
Christian Pantle ist seit 2017 Chefredakteur des Monatsmagazins G/Geschichte. Er wurde 1970 in München geboren, promovierte ebendort zum Doktor der Humanbiologie und ging danach in den Wissenschaftsjournalismus. 15 Jahre lang arbeitete er beim Nachrichtmagazin Focus, zuletzt als Ressortleiter Wissen & Technik. In dieser Zeit schrieb er zunehmend über die Geschichtsthemen, denen er sich nun hauptberuflich widmet.
Info: Christian Pantle: „Der Bauernkrieg. Deutschlands großer Volksaufstand.“ ISBN 9783843733007, Propyläen 2024, 336 Seiten, 22 Euro.
Bildunterschrift: Dr. Christian Pantle vor dem Haus der Kramerzunft in Memmingen. Auf einer Tafel wird an die 12 Artikel erinnert. Foto: Hildegard Nagler
Die Waldburg – Stammsitz des Bauernjörg heute
Es gehört zu den schönsten Deutschlands und thront weit sichtbar im Grenzbereich von Oberschwaben und dem württembergischen Allgäu: das ehrwürdige Ritterschloss Waldburg, dessen Ursprünge knapp 1000 Jahre zurückliegen. Nie zerstört, zeigt es beispielsweise die Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches, also.“ beispielsweise Krone und Zepter, die ein König oder Kaiser braucht und die laut historischer Forschung zwischen 1221 und 1242 auf der Waldburg aufbewahrt Zu sehen ist auch ein Faksimile der Amerikakarte von Martin Waldseemüller – sie ist das Stammhaus von Georg Truchsess von Waldburg, auch „Bauernjörg“ genannt. Heute hat Max Haller auf ihr das Sagen hat. Er genießt oft und gern von der Aussichtsplattform auf dem Schlossgebäude aus bei gutem Wetter den unvergleichlichen Blick von den Allgäuer Alpen über das oberschwäbische Voralpengebiet und den Bodensee hinweg bis ins Berner Oberland hat. Dabei drohte der Burg der Verfall. Der Gastronom Haller nahm vor sieben Jahren die Herausforderung an und überlegte, wie er sie das ganze Jahr für Besucherinnen und Besucher attraktiv machen könnte. Max Haller rief die „mittelalterlichen Erlebniswelten Schloss Waldburg“ ins Leben, wo Multimedia-Guides in den vier Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Ukrainisch Wissenswertes vermitteln. Wo 200 Events, die jeweils mit einer Führung verbunden sind, im Jahr die Burg rocken - etwa Ritterspiele, Mittelaltermärkte, Gauklerauftritte, Ritteressen in alten Gewölben, eben alles Mögliche, was in den Rahmen von Burgmauern passt. Wo Spaß und Freude angesagt sind. Wo es einen Fotoshooting-Raum mir rund 100 Gewändern und 50 Kleidern und Helmen und Waffen gibt. Und wo sich außerdem nur eine Suite befindet, die sich im kleinsten Hotel Deutschlands befindet. „Pro Jahr kamen früher vielleicht 3000 Gäste“, berichtet Haller, der schon im Alter von vier Jahren davon träumte, ein Ritter zu sein. Inzwischen waren es zehnmal so viele. Was nicht weiter verwundert: Hallers Begeisterung ist grenzenlos, schwappt auf seine über Besucher. Und die machen fleißig Werbung für ihn und sein Team, pardon, die seit 450 Jahren nicht mehr von der Familie bewohnte Waldburg. Der wohl bekannteste Vertreter der Familie Waldburg ist Georg III. von Waldburg, auch Bauernjörg genannt.
Überrraschend: Ein Schlachtfeld aus Playmobil
„Oft werden wir auf ihn angesprochen“, berichtet Burgkastellan Christoph Wegele. „Das Thema Bauernkrieg ist nicht nur aufgrund des Jubiläums ein sehr wichtiges. Der Bauernkrieg war bereits 200 Jahr vor der berühmten französischen Revolution der erste Schrei der Menschen nach mehr Demokratie und Mitbestimmung. In einer Zeit, in der der Wert unserer Demokratie nicht mehr allen Menschen klar zu sein scheint, ein Thema, über das man nicht oft genug sprechen kann.“ Der Kastellan beugt sich über ein Schlachtfeld mit Playmobil-Figuren, auf den Szenen aus dem Bauernkrieg im Kleinformat nachgestellt sind. „Aus historischer Sicht sind schon die eigentlichen Geschehnissen in diesem Konflikt und die Person des Bauernjörg sehr interessant.“ Gleichzeitig ist der Bauernkrieg aber ein Ereignis, das in der heutigen Zeit sehr deutlich aufgeklärt wird und zu dem viele Missverständnisse im Umlauf sind. Somit bietet er sich sehr gut an, die Unterschiede von vergangenen Ereignissen zum heutigen Empfinden oder Verständnis dieser geschichtlichen Ereignisse in der heutigen Zeit darzustellen.“ So rückte beispielsweise heute „der berühmte Freiheitsgedanke, die Abschaffung der Leibeigenschaft als Hauptforderung der Bauern in den Fokus“. Zitiert würden hier die 12 Artikel aus Memmingen, sagt Christoph Wegele. „Für die Menschen damals ging es aber darum, gegen die Willkür Ihrer Herren vorzugehen und vor allem rechtliche Sicherheiten zu bekommen.“
Georg Truchsess von Waldburg alias der Bauernjörg
Georg Truchsess von Waldburg, am 25. Januar 1488 im oberschwäbischen Waldsee geboren und dort am 29. Mai 1531 gestorben sei, so der Wissenschaftsjournalist Dr. Christian Pantle, der „mit Abstand wichtigsten Feldherrn im Bauernkrieg, weshalb er den Spitznamen Bauernjörg erhält“. Georg Truchsess von Waldburg habe die wichtigste Armee des Adels im süddeutschen Raum mit 8000 Mann angeführt und alle großen Schlachten gewonnen, weil die Bauernhaufen über das Land verteilt gewesen seien. Christian Pantle: „So konnte der Truchsess einen nach dem anderen attackieren.“ Der Bauernjörg habe in der Bevölkerung so viel Schrecken verbreitet, dass über lange Jahre die Redewendung umgegangen sei: ,Ich will dir den Herrn Jörgen singen'. Noch 1868 habe man schwere Strafen mit den Worten angedroht: ,Man wird dir den Jörgen zeigen.'“
Dr. Joachim Zeune, internationaler Burgenforscher aus dem Allgäu
Dr. Joachim Zeune zeichnet sich für die Sichtbarkeit und Erhaltung der Burgenregion Allgäu aus. Für das Projekt Courage hat er über die Allgäuer Burgen in Bezug zu 1525 eine Kurzzusammenfassung erstellt. Diese Informationen sind u.a. sichtbar in der interaktiven Karte. Die Gründung des Büros für Burgenforschung Dr. Zeune erfolgte 1994. Seitdem erforscht, saniert und erschließt er nunmehr fast 300 Burgen, Stadtbefestigungen, Kirchenburgen, Wehrkirchen und Kirchen in ganz Deutschland und im Ausland mit über 100 virtuellen Rekonstruktionen.
1986 bis 2004: Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung, seit 1998 Mitglied im Vorstand
2004 bis heute: 1. Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung // Vorsitzender des Kuratoriums des Europäischen Burgeninstituts.
1996-2014 deutscher Vertreter im Scientific Council of Europa Nostra; danach Honory Member
Bisher über 200 Publikationen zum Burgenbau und zu Einzelobjekten, darunter die Standardwerke „Burgen – Symbole der Macht“ (Pustet Verlag, Regensburg 1996), „Ritterburgen“ in der Reihe Beck- Wissen (München 2016) und „Gottes Burgen. Kirchenburgen, Wehrkirchhöfe und Wehrkirchen in Franken“ (Pustet Verlag & Dr. Morsbach Verlag, Regensburg 2022). Hauptredakteur, Hauptautor und Mitherausgeber des zweibändigen Werks „Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch“ (Stuttgart 1999). Burgenführer zu diversen Regionen, u.a. zur „Burgenregion Allgäu“ & „Deutscher Burgenwinkel“ (Lks. Haßberge). Seit 2006 Herausgeber der Reihe B der Deutschen Burgenvereinigung e.V., Schriften. Wissenschaftliche Supervision der beiden ZDF-Beiträge Terra X zu Burgen: Feste Mauern & Bollwerke der Macht (ZDF 2019/2020; 4 Teile auf ZDF-Info). Zahlreiche weitere Fernsehauftritte, u.a. bei „Willi wills wissen“, im Disney Channel und mit Markus Wasmeier in „Der Wasmeier entdeckt Burgen“.
Didaktische Großprojekte: „Burgenkundlicher Lehrpfad Haßberge“, „Deutscher Burgenwinkel“; „Burgenregion Allgäu“ , seit 2021 „Burgenregion Allgäu-Außerfern“; „Europäisches Burgenmuseum“ in Ehrenberg (Reutte in Österreich). Dazu etliche Leader-Projekte der Europäischen Union. Aktuell Aufbau der „Burgenregion Bayerwald“ für 5 Landkreise im Bayerischen Wald. Lehraufträge an der Universität Bamberg am Institut für Denkmalpflege; über 50 burgenkundliche Vorträge an diversen Volkshochschulen. Konzepterstellung und Realisierung mehrerer Museen und Ausstellungen.
www.burgenforschung-zeune.de