Freiheit für die Füße: Jochen Scharpf fertigt Original Kneipp Sandalen

22.02.2021
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Allgäu GmbH, Silke Lorenz

Dieses Jahr ist für Bad Wörishofen ein ganz besonderes: Mit einem bunten Veranstaltungsprogramm wird der 200. Geburtstag von Sebastian Kneipp gefeiert, der seit 1855 in der Stadt wirkte und zahlreiche Spuren hinterlassen hat. Wie beispielsweise die Kneipp-Sandalen, die er damals mit Schuhmachern aus Bad Wörishofen entwickelt hat. Als einer der letzten fertigt Jochen Scharpf noch heute diese Sandalen von Hand an.

Wie eine Schuhfabrik ausgestattet
Über dem großen Schuh-Geschäft hat Jochen Scharpf im ersten Stock seines Elternhauses seine Werkstatt eingerichtet. Von hier aus blickt man direkt hinunter auf die Kneippstraße, die beliebte Kurpromenade. Auf dem großen Tisch liegen verschiedene Messer, Scheren, Zangen, Hammer, Feilen und Raspeln herum. Im Regal dahinter stehen die Leisten schön in Reih und Glied. „Die Kneipp-Sandalen gibt es von Größe 35 bis 46, fünf Modelle für die Herren und zehn Modelle für die Damen. Ich schaue, dass ich die gängigen Größen und Farben immer auf Lager habe“, erklärt der Orthopädie-Schuhmacher-Meister. Das heißt: immer dran bleiben. Denn Scharpf ist zwar technisch wie eine kleine Schuhfabrik ausgerüstet, mit Lederlager, Stanz-, Schärf-, Press-, Schleif- und Nähmaschinen. Das Meiste jedoch ist eben echte Handarbeit, die Zeit kostet. Bestand der einstige Prototyp noch aus einer ganz einfachen Ledersohle und ein paar Riemen zum Schutze der Fußsohle, so ist das jetzige Modell natürlich sehr viel ausgeklügelter. Heute haben die Sandalen ein Fußbett mit sehr ausgeprägtem Längs- und Quergewölbe, das perfekt an die Anatomie des Fußes angepasst ist.

Rund 20 Arbeitsschritte
Für ein Paar Kneipp-Sandalen, die es nur in Bad Wörishofen zu erwerben gibt, sind rund 20 Arbeitsschritte sind nötig. Verarbeitet werden 84 Einzelteile aus natürlichen Materialien wie Leder, Kork und Gummi. Das Kalbs- und Rindleder ist pflanzlich gegerbt, die Schnallen sind nickelfrei. Das Besondere: „Alle Lederteile werden vernäht, das nennt man California-Machart. So kann auch kein Riemchen aus der Sandale rutschen, wie das oft bei industriell hergestellten Sandalen mit angeklebten Riemen der Fall ist“, sagt Scharpf und demonstriert das sogleich an der roten Doppel-Nähmaschine. Auf der anderen Seite steht eine ganz alte Adler-Maschine, die der 59-Jährige wie einen Schatz hütet. Würde sie kaputt gehen, müsste er erst mal jemand finden, der so etwas noch reparieren könnte. Bei jedem Arbeitsschritt heißt es: schleifen, nähen, kleben, pressen. Dann muss man warten, bis der Schuh getrocknet ist. In dieser Zeit werden andere Arbeiten vorbereitet und erledigt.

Erst sperrig, dann butterweich
Jochen Scharpf freut sich noch heute über jedes Paar Schuhe, das er von A bis Z selbst fertig gestellt hat. Die solide Arbeitsweise zahlt sich aus: Die Sandalen halten, je nach Benutzung, bis zu acht Jahren. Nur der Absatz läuft sich vorher ab. Am Anfang fühlen sie sich sperrig an, nach kurzer Einlaufzeit werden sie jedoch butterweich. „Früher hatte jeder Kurgast obligatorisch Kneipp-Sandalen an. Das hat stark abgenommen, auch weil wir nicht mehr so viele Kurgäste in Wörishofen haben. Aber meine Stammkundschaft von Nah und Fern ist immer noch begeistert. Und meine Frau und ich auch. Natürlich tragen auch wir die Sandalen im Sommer, welche Frage!“, lacht der Schuhmacher.

Nachfolger gesucht
Neben dem Verkauf von Schuhen namhafter Marken repariert Jochen Scharpf auch Schuhe und fertigt sowohl orthopädische Einlagen wie auch Kneipp Sandalen. Das bedeutet jede Menge Arbeit, die er aber gerne verrichtet, als einer der letzten Schuhmacher am Ort, die dieses Handwerk noch beherrschen. Ende des Jahres wird er 60. Auch wenn der gebürtige Wörishofener noch nicht ans Aufhören denkt, macht er sich Gedanken über seine Werkstatt. Seine beiden Kinder werden sie aller Voraussicht nach nicht weiterführen, da sie in anderen Bereichen arbeiten. „Wenn jemand Interesse hat, würde ich ihm meine Werkstatt und mein Wissen, wie man die Sandalen herstellt, übergeben. Aber derzeit ist kein Nachfolger in Sicht“, sagt er. Das hätte Pfarrer Kneipp sicher nicht gefallen…

Info:
Scharpf Schuhe
Kneippstr. 15
86825 Bad Wörishofen
Tel: 08247 – 4201
scharf.schuhe@t-online.de
www.scharpf-schuhe.de

Info zum Kneipp-Jahr:
www.kneipp2021.de